Kolumne zum Thema Corona

 

Film ab!

Dezember 2021

 

Fehlt nicht viel und der Kitsch tropft aus dem Laptop auf mein Sofa. Ich gucke eine Schnulze und frage mich gleichzeitig: Wo ist eigentlich mein Geschmack geblieben?

Mit Romanzen a la „Ende gut, alles gut“ kann man mich jagen. Normalerweise. Jetzt aber laufen bei mir zu Hause Filme wie „Weihnachten zu Hause“ oder „The Holiday Calendar“. Freiwillig. Und das, obwohl genaugenommen schon im Vorspann klar ist, wer wen kriegt. So vorhersehbar. Und doch gerade deshalb so tröstlich. Ich tauche in die Geschichten ab wie in ein Paralleluniversum. Komme ich nach neunzig Minuten zurück, fühle ich mich erholt wie nach einer dreiwöchigen Kur. Das Gute hat gesiegt, ich kann beruhigt schlafen gehen.

Geht mir die Pandemie möglicherweise viel mehr an die Nieren, als ich mir eingestehen will? Und suche ich deshalb nach Filmstreifen, in denen die Welt im Großen und Ganzen in Ordnung ist? Ist meine Dünnhäutigkeit dünner als gedacht? Als gäbe es kein Puffer mehr, für nichts? Manchmal glaube ich zu spüren, dass ein einziges Wort, ein Kommentar, eine Schlagzeile mein „Wir kriegen das schon hin“-Kartenhaus zum Einsturz bringen könnte. Und was käme dann? Das große Heulen?

Zum Kitschfilm habe ich jetzt noch eins draufgesetzt. Seit gestern habe ich einen Notfall-Karton bei mir zu Hause, auf seinem Deckel steht: Scheiß-Tag? Dann: öffnen, Zettel ziehen und einfach machen, was draufsteht! Auf den kleinen Zetteln stehen lauter Dinge, die mir guttun, nicht nur in Zeiten wie diesen. Zum Beispiel: Schokoladeneis direkt aus der 1-Kilo-Packung löffeln, Bosses „Letzter Tanz“ lautdrehen und tanzen, jemand anderen was Gutes tun, „Notting Hill“ gucken.

Da ist er wieder, der Kitschfilm – und endlich ist da mal was zum Heulen schön!