Ich stehe an der Reling. Unglaublich, wie hoch das Schiff ist. Ich drehe mich kurz um nach denen, die hinter mir stehen, dann schaue ich wieder Richtung Wasser. Und springe. Ich spüre, wie der Wind meine Arme, mein Gesicht streift, bin überrascht, wie lange der Flug dauert. Schaue auf die Wasseroberfläche und erkenne, ich werde nicht wie gedacht im Rettungsboot landen, sondern direkt im Wasser.
Nur einen Moment später tauche ich ein. Und dann ist da nur noch ein Gedanke: Wie schön, wie wunderbar, wie befreiend. Als ich wieder auftauche, blicke ich hinauf. Ich spüre, wie meine Augen dabei strahlen. In den Blicken der anderen, die noch immer oben an der Reling stehen, sehe ich das Staunen und höre das aufgeregte Raunen ihrer Stimmen.
Ein Traum. Mein Traum von letzter Nacht. Was für ein Bild. Ich kann noch jetzt den Wind spüren, das Eintauchen, das Erkennen, was da gerade passiert ist. Ich bin gesprungen. Von diesem großen, sicheren Dampfer. Gesprungen ins Ungewisse. Und bin überrascht, wie gut und richtig sich das anfühlt, schon im Bruchteil der ersten Sekunde.
Ich könnte alles Mögliche in diesen Traum hineininterpretieren. Ich lasse es bleiben. Er fühlt sich unkommentiert und unbelastet von Erwartungen am schönsten an. Bleibt nachhaltig in meinem Kopf, zaubert mir heute immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Als hätte ich einen Blick in die Zukunft geworfen.
Diese Tage sind angefüllt mit Gedanken über das, was ich in meinem Leben will. Die Zeit fühlt sich so reif an für den nächsten Schritt. Ich muss daran denken, wie ich vor nicht ganz einem Jahr den Wunsch hatte auszubrechen. Eine Zeit lang woanders zu sein, raus aus dem bekannten Trott. Wie ich damals auf meinem Balkon saß, in jener lauen Sommernacht, und dieser Wunschfilm in mir ablief. Noch etwas unscharf, und doch mit so einem klaren Gefühl von „Ich will!“. Und nun lebe ich mitten in diesem Streifen.
Wer weiß schon, wohin das alles führen wird? Möglicherweise ist es erst der Auftakt zu etwas ganz Neuem? Etwas, das weit über diese Zeit hier hinausgeht?
Allein über die Träume in meiner Auszeit könnte ich ein eigenes Buch schreiben. Sie sind so bunt, so farbenfroh, immer wieder auch so emotional, dass ich eigentlich allein schon für die Verarbeitung all der Eindrücke und Gefühle mindestens eine Woche Verlängerung verdient hätte.
Manchmal kann ich nicht unterscheiden, ob ich verarbeite, was ich bereits erlebt habe, oder ob sich Wünsche und Sehnsüchte ihren Weg in meine nächtlichen Bilder bahnen. Manche Träume lassen mich am Morgen klarer sehen. Manche jedoch tauchen mich erst einmal emotional unter, und ich brauche eine Weile, um mit dem Kopf wieder über Wasser zu kommen. Anfangs fällt es mir schwer, mich auf all die Träume einzulassen und anzunehmen, wie sie eben sind. Sie fragen ohnehin nicht, ob sie mir gefallen, oder ob ich etwas mit ihnen anfangen kann. Sie sind einfach da, bunt, prall, lebendig, voller Gefühle.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich in den ersten Nächten immer wieder von zu Hause träumte. So echt, als hätte ich mich nach dem gemeinsamen Grillen mit den Nachbarn abends ins heimische Bett gelegt. Beim Aufwachen am Morgen blieb mir manchmal kurz die Luft weg, wenn ich realisierte, wo ich gerade war: allein in einer unbekannten Umgebung.
Der Stoff aus dem die Träume sind - einige meiner Betten unterwegs ;-)
All das ist längst Geschichte. Mittlerweile bietet mir mein Leben hier genug Stoff, aus dem sich die Träume für portugiesische Nächte weben lassen. Ich habe mich längst daran gewöhnt, regelmäßig an anderen Orten zu sein, immer wieder in fremden Betten aufzuwachen. Mein Verstand kommt erstaunlich schnell mit dem Ankommen und Weiterreisen klar, die stetige Veränderung ist zu seiner neuen Gewohnheit geworden. Vermutlich brächte ich ihn jetzt mehr aus dem Tritt, wenn ich beschließen würde, irgendwo für mehrere Wochen an einer Stelle zu bleiben. Doch bislang ist diesbezüglich nichts in Sicht.
Ganz im Gegenteil. Ich scrolle freudvoll-neugierig über den nördlichen Teil Portugals auf der digitalen Landkarte und habe schon eine Ahnung, wohin ich als nächstes fahre. Und bei dem Gedanken an diesen Ort klopft mein Herz einen winzigen Takt schneller.
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