Kapitel 38: Das große Stühlerücken

 

Kein Möbelverschieben, kein Stühlerücken, kein Suchen nach dekorativen Decken, Lampen oder Kerzen. Nichts von alledem. Ich lasse alles da, wo es ist. Das ist neu.

 

In meinem ersten Quartier in Praia de Faro ist das Zimmer so einfach und geradezu nüchtern, dass ich, noch bevor ich den Rucksack auspacke, zuerst ein paar Fotos aus meiner Tasche krame, um sie an die nackten Wände zu pinnen.

 

Portugal Auszeit ü50, Praia de Faro Zimmer Airbnb
Der Anfang meiner Auszeit: das erste Zimmer in Praia de Faro

 

In Fuseta braucht nach meinem Empfinden der Balkon eine Generalüberholung. Also schleppe ich Decken und Kissen raus, suche Teelichter für die zartgrünen Schälchen aus Glas und öffne den kleinen Sonnenschirm, obwohl sich die Sonne an diesem ersten Nachmittag hinter Wolken versteckt. Ich steige die Treppe zur Gemeinschaftsdachterrasse hinauf, nur um festzustellen, dass das wohnliche Freiluftleben hier oben noch nicht einmal ansatzweise Einzug gehalten hat.

 

Der Anblick hat so gar nichts gemein mit der behaglichen Atmosphäre der Fotos auf Airbnb. Die Sessel und Liegen stehen staubig in der Ecke, als wären sie beleidigt vom langen Lockdown. Also beginne ich zu räumen, um wenigstens ein bisschen Behaglichkeit einkehren zu lassen.

 

 

Nun also bin ich in Tavira. Und zum ersten Mal lasse ich alles auf mich wirken, ohne gleich verändern zu wollen: Mein kleines Zimmer, in dem sich ein Bett, zwei schmale Nachttische und ein kleiner Schreibtisch mit Stuhl befinden. Das Bad, in dem ich mich in der Dusche und vor dem Waschbecken gerade einmal um mich selbst drehen kann.

 

Die helle, von der Sonne beschienen Terrasse direkt vor meinem Zimmer, deren Grünpflanzen schon Spuren der ersten heißen Tage tragen. In meinem Kopf tauchen die Fotos des Apartments auf der Seite von Airbnb auf und schieben sich über das vor mir liegende Bild. Nein, es ist längst nicht alles so, wie die Fotos glauben machen wollen. Dieses Zimmer hat definitiv ein paar Jahre mehr auf dem Buckel. 

 

Erstaunlicherweise stört mich das nicht. Stattdessen bin ich neugierig, was passiert, wenn ich einfach mal nichts tue. Nichts verändere, nichts verrücke. Wenn ich mich einpasse in dieses Bild, genauso, wie es jetzt ist. Wie sich mein Ankommen anfühlt, wenn ich nicht gleich versuche, so schnell wie möglich vermeintliches Wohlbehagen zu schaffen. Denn ich ahne, diese Versuche sind genaugenommen völlig überstürzt. Mein Körper ist schon beim Räumen, während Herz und Seele noch zu fragen scheinen, wo wir hier eigentlich gerade sind. 

 

 

Jetzt drehe ich den Spieß um. Mein Körper tut nichts. Solange nicht, bis das Herz klar einen Wunsch äußert und wirklich eine Veränderung braucht. Bis dahin lasse ich mich auf einem der geflochtenen Sessel auf der Terrasse nieder. Ich ziehe meine Schuhe aus, setze meine nackten Füße auf die warmen Steinfliesen. Zehn Tage Tavira liegen vor mir, und es fühlt sich nach einem guten Platz zum Bleiben an.

 

Eine halbe Stunde später sitze ich immer noch in diesem Sessel, mein Rucksack liegt im Zimmer auf dem Boden, so, wie ich ihn beim Hineinkommen abgelegt habe. Das Herz hat sich mit zu mir aufs Loungemöbel gesellt, es scheint sich ebenso wohl zu fühlen wie ich.

 

Irgendwann später tausche ich Jeans, T-Shirt und Turnschuhe gegen Kleid und leichtere Schuhe und mache mich neugierig auf den Weg für einen ersten Bummel durch die Stadt. Ich bin gespannt auf Tavira – und gleichzeitig erstaunlich sicher, dass ich es mögen werde, wie es ist. 

 

Tavira Portugal Blick von der Brücke über die Stadt
Tavira - ein Kleinod im Osten der Algarve

 

 

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