Kapitel 64: Tschüss Auszeit - Ankommen in drei Akten

 

Es geht nichts vorwärts, in keine Richtung. Nun quält mich seit Tagen auch noch eine Erkältung. Eine leise Stimme in mir flüstert: Na und? Was ist so schlimm daran? Was daran schlimm ist?! Dass ich das jetzt absolut nicht gebrauchen kann. Denn nicht nur, dass nichts vorangeht, jetzt bleibt gleich alles liegen. Einschließlich ich.

 

Vielleicht brauche ich ab und zu diese Reißleine in meinem Leben? Nichts Großes, aber groß genug, damit es mich zum Innehalten zwingt. Verbunden mit der klitzekleinen Chance, in der Zwischenzeit wieder zur Besinnung zu kommen. Mal darüber nachzudenken, ob das alles Sinn ergibt, was ich da gerade mache. Tatsächlich stelle ich fest, ich bin mittendrin, mich zu verrennen. Immer noch glaubt ein Teil in mir, dass ich nur vorankomme, wenn ich handle. Das mag sicher auch stimmen, einerseits. Andererseits darf die Frage erlaubt sein: Wohin renne ich eigentlich? Bin ich mir sicher, dass es der richtige Weg ist? Mein Weg? 

 

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Auch zu Hause am liebsten am Wasser :-)

 

Ich ahne bereits, während ich so eilig unterwegs bin, dass mich der Weg in die Irre führen könnte. Trotzdem mache ich weiter. Immerhin bin ich in Bewegung, rede ich mir selbst gut zu. Das nicht viel dabei rauskommt, ignoriere ich geflissentlich. Doch nun drückt mein Körper die Pausentaste. Ich bin schlapp, müde, verschnupft. Am Abend verkrieche ich mich auf mein Sofa in der stillen Hoffnung, am nächsten Tag wie Phönix aus der Asche zu steigen, um weitermachen zu können. Der nächste Tag schaufelt dem kleinen Phönix mit Gliederschmerzen und Husten noch eine ordentliche Ladung Asche aufs Haupt. Weitere Aktionen müssen vorerst warten. Vier Tage brauche ich, um zu begreifen, dass auch dieses Innehalten Teil meiner Geschichte ist, ein ziemlich wichtiger, wie mir erst nach und nach klar wird.

 

Seit ich aus Portugal zurück bin, habe ich verschiedene Phasen des Ankommen-Wollens und ja auch -Müssens durchlebt.

 

In der ersten Phase, kurz nach meiner Heimkehr, war vor allem Euphorie in mir: Ich freute mich, wieder zu Hause zu sein, in dem Wissen, ich hatte es wirklich getan, ich hatte mich getraut, mir diese Auszeit zu nehmen. Ich war vier Monate allein unterwegs, hatte erfahren, wie gut sich das anfühlt und dass ich es kann. Ich fühlte mich stark und mutig, ganz im Vertrauen, alles würde gut werden. Eine Weile würde ich noch mein bisher gewohntes Leben führen, dann jedoch würde etwas Neues beginnen. Es machte mir zunächst nicht so viel aus, dass ich nicht wusste, was genau das sein würde.

 

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Mittlerweile ist es Herbst geworden

 

Nach einigen Wochen begann die Euphorie mehr und mehr zu verblassen. Das normale Leben schien mich eingeholt zu haben. Ich versuchte, mich dagegen zu wehren. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass nach dieser besonderen Zeit, die ich erlebt hatte, jetzt doch wieder alles in gewohnte Bahnen zurückkehrte. Ich schimpfte und nörgelte herum an vermeintlich Überholtem, fühlte mich unverstanden. Dabei wollte ich nicht wahrhaben, dass meine Quengelei vor allem einen Grund hatte: Dass ich nicht wusste, wie es mit meinem Leben weitergehen sollte.

 

War ich nicht gerade am Meckern und Mosern ruderte ich im Fluss meines Lebens wild mit den Armen, in der Hoffnung, auf diese Weise schneller vorwärtszukommen und in eine neue Richtung zu lenken. Ich dachte, um Klarheit zu gewinnen, müsste ich aktiv werden. Nichthandeln schien mir keine Option zu sein und war etwas für Gewohnheitstiere. Was für eine Arroganz, was für eine Blindheit.

 

Es wäre wohl besser und vor allem erholsamer gewesen, mich eine Zeitlang ruhig auf den Rücken zu legen, mich treiben zu lassen und darauf zu vertrauen, dass sich die Erkenntnisse und der damit verbundene Weg schon finden würden. Ich hatte doch dieses wunderbare Vertrauen und gleichzeitig diese unglaubliche Gelassenheit während der Vorbereitungen auf meine Auszeit tief in mir gespürt. Damals hatte sich alles zur richtigen Zeit ergeben.

 

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Ich bin mir sicher... die Bücher finden uns!

 

Jetzt jedoch hat sich mein Vertrauen ins Leben still und leise verabschiedet. Vermutlich kein Wunder, hatte ich doch dem Leben mit meinem Aktionismus immer wieder dazwischen gegrätscht. Wie sollte es mich da mit neuen Einsichten beschenken? Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Zeichen und Botschaften ich beim Rennen und Rudern übersehen habe.

 

Ausgerechnet in dieser Zeit lese ich „Ungezähmt“, ein Buch von Glennon Doyle. Mittlerweile bin ich restlos überzeugt davon: Die Bücher finden uns im richtigen Moment. Nach knapp achtzig Seiten bleibe ich an zwei Worten hängen: Sei still.

 

Denn während wir still sind, beschreibt Glennon Doyle, können uns die Antworten finden. Oft sind sie in uns, jenseits des Grundrauschens der Welt und unseres Lebens, jenseits unserer Ablenkungen. Wir müssen uns nur die Zeit dafür nehmen, sie auch hören zu können.

 

Ich erinnere mich, so etwas schon erlebt zu haben, ganz ohne es zu planen. Es geschah in Momenten, in denen all meine üblichen Methoden auf der Suche nach Antworten versagt hatten. Ich ergab mich aus Mangel an Alternativen dieser Leere. Und während ich dasaß, still und ideenlos, stieg plötzlich ein Impuls in mir auf. Ein Satz, ein Gedanke, als Antwort auf eine Frage, die ich gar nicht bewusst gestellt hatte. Und die doch kristallklar in den Moment passte. Als ich die Worte wahrnahm, erschienen sie mir so logisch, dass ich nicht mehr wusste, warum sie mir nicht vorher eingefallen waren. Natürlich funktioniert das nicht auf Befehl, so viel weiß ich auch. Das Leben antwortet auf seine Weise und in seinem Tempo. Was wir manchmal brauchen, ist eben diese gute Mischung aus Geduld und Gelassenheit. Nicht eben meine größten Stärken, aber das zu erkennen, hilft mir schon. Und was mache ich jetzt damit?

 

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© Matthias Schild

 

Ich muss an eine Nachricht denken, die mir ein guter Freund schrieb, wenige Tage vor meiner Abreise nach Portugal: „Ich hoffe, dass du ein kleiner Stern für jemand anderen bist, dem es ähnlich geht, der sich aber noch nicht traut. Für mich jedenfalls leuchtest du.“

 

Diese Zeilen haben mich damals sehr berührt. Tatsächlich habe ich auf dieser Reise zuallererst mein inneres Leuchten gefunden, vielleicht auch wiedergefunden. Dafür bin ich dem Leben, dieser Zeit und mir selbst unglaublich dankbar. Diese Zeit und meine Erfahrungen kann mir keiner mehr nehmen. Und ich habe ein Jahr später bei einer erneuten Reise nach Portugal den klaren Impuls gespürt, die Erfahrungen meiner Auszeit in einem Blog zu teilen. Dafür muss ich noch nicht wissen, wie die Geschichte ausgeht. Doch ich kann vielleicht schon jetzt und auf diese Weise zu einem kleinen Stern werden für jemanden, der ebenfalls über einen Ausstieg auf Zeit nachdenkt oder über einen ersten Schritt in ein „Alleine los“! Denn nicht ohne Grund habe ich diesen Namen für meinen Blog gewählt.

 

Ich weiß jetzt, das Ende meiner Auszeit ist nicht gleich der Anfang von etwas fulminant Neuem. Doch ich gehe meinen Weg Stück für Stück weiter, um erkennen zu können, was bleiben soll und was es gilt, loszulassen. Ich vertraue auf mein Tempo, und will die Schönheit dieser Reise genießen, auch wenn der Ausgang ungewiss ist. Wo auch immer mich dieser Weg hinführen wird, ich bin neugierig auf das, was kommt.

 

Und deshalb ist dieser Blog an dieser Stelle auch noch nicht zu Ende. Das Abenteuer geht weiter!

 

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