Kolumne zur Fußball-WM 2018

 

Es geht eine Träne auf Reisen

(20. Juni 2018)

 

Vergangenen Donnerstag stehe ich das erste Mal auf emotional dünnem Eis, ausgerechnet morgens im Berufsverkehr: Im Radio läuft Herbert Grönemeyers „Zeit, dass sich was dreht“. Meine Augen werden feucht, die Gänsehaut wächst mit jedem Takt. Es ist erst der Anfang – und ich weiß es. Ist ja nicht meine erste WM.

 

Freitagabend leide ich mit den Spaniern, für die ich mir die Daumen blutarm drücke und schicke nach dem Abpfiff ein „lo siento“ in den Abendhimmel. Obwohl ich gar nichts dafür kann. Am Samstag gönne ich meinem Herz und Puls eine emotionale Pause und schaue nur ein Spiel: Argentinien gegen Island. Dabei weiß ich nicht, ob ich lachen oder heulen soll: Die isländische „Horde von Helden“ und ihre mitgereisten Fans verzücken mich schlichtweg; den Elfmeter von Lionel Messi sehe ich erst in der Wiederholung, weil ich mir in Echtzeit vor lauter Aufregung die Hände vor die Augen halte. Als ich den Fehlschuss endlich sehe, kann ich nur denken: armer Lionel. Und verdrücke heimlich eine Träne.

 

Am Sonntag bin ich wieder am Start, nichtsahnend, was für eine erneute Achterbahnfahrt mich erwartet. Ich freue mich auf 17 Uhr. Nach dem Abpfiff bin ich allerdings heilfroh, dass ich das Spiel im emotionalen Biotop gesehen habe – mit Freundinnen auf dem heimischen Sofa. Mit den Mädels seufzt es sich einfach freier. Außerdem sind meine im Affekt ausgerufenen Kommentare definitiv noch nicht Public Viewing tauglich.

 

Bei dem Gedanken, dass hier etwas zu Ende gehen könnte, bevor es richtig angefangen hat, werden meine Augen schon wieder feucht. 

 

Doch dann fallen mir Fanta Vier & Clueso ein: „Wir sind zusammen groß, wir sind zusammen eins.“ Eben!