Kapitel 40: Wieder allein

 

Die alte, drei Meter hohe Wohnungstür fällt krachend ins Schloss. Ich liebe diesen Ton. Jedes Mal, wenn ich das Haus verlasse, in der mein kleines Apartment liegt, genieße ich den stolzen Klang der Tür. Er passt ganz wunderbar zu diesem Kleinod, das einen leicht verblichenen und dennoch unwiderstehlichen Charme ausstrahlt, mit seinen hohen Decken und den schweren Stoffen aus Damast, Samt, Leinen und Brokat.

 

Jedes Mal, wenn ich in mein Zuhause zurückkomme, zücke ich voller Stolz den langen, schmalen Schlüssel und schließe mit ruhigen Bewegungen auf, ganz in der Vorstellung, dies wäre mein Haus mitten im Herzen von Tavira. Als hätte mich diese Stadt vor geraumer Zeit nicht nur zum Kommen, sondern vor allem zum Bleiben eingeladen, um das einfache portugiesische Leben und die Gemeinschaft von Menschen aus verschiedenen Ländern zu genießen.

 

 

Heute jedoch kommt das Geräusch der Tür von meiner Mitbewohnerin Birgit. Sie geht. Nicht nur Kaffee holen oder frischen Käse und Oliven aus der Markthalle, wie so oft in den vergangenen Tagen. Sie geht mit gepackten Taschen, um weiterzureisen in Richtung Westen der Algarve. Ich verstehe das gut. Auch ich weiß, dass ich nach zehn Tagen Tavira übermorgen weiterreisen werde. Nicht, weil es mir hier nicht gefällt. Ganz im Gegenteil. Tavira ist ein zauberhaftes Städtchen und hatte schon auf den wenigen Metern vom Bahnhof zu meinem Apartment mein Herz im Sturm erobert. 

 

Der Tag meiner Anreise fiel passenderweise zusammen mit dem ersten Tag, an dem es Gastronomen wieder erlaubt war, ihre Cafés und Restaurants zu öffnen. Es war ein schöner, wenngleich gänzlich ungewohnter Anblick von Menschen, die draußen in der Sonne sitzen und sich beim Essen oder Kaffee trinken angeregt unterhalten – teils über Tische hinweg.

 

„Portugal back in Business“ titelte die englische Tageszeitung „The Portugal News“ an diesem Tag, ich kaufte sie mir in Erinnerung an diesen wundervollen Start.

 

Portugal und das Ende des Lockdwons April 2021
Willkommen zurück! Das Ende des Lockdowns in Portugal schafft es sogar in die deutsche Tagesschau.

 

Ich habe hier so viele wunderbare Lieblingsplätze entdeckt, für jede Tageszeit einen anderen Ort. Ich habe einen Schweden kennengelernt, der gern mehr sein würde für mich als ein guter Freund und mich eingeladen hat zu bleiben. Unweit von Tavira war ich das erste Mal im Atlantik baden.  

 

 

So viele schöne Dinge – und doch will ich nicht bleiben, sondern weiterreisen. Mich eben nicht niederlassen, nur, weil es sich plötzlich so erstaunlich vertraut anfühlt im sonst unbekannten Land.

 

Jetzt allerdings schwankt meine Entschlossenheit für einen Moment. Mein Herz klopft sehnsüchtig dem Reiz des Mit-Jemandem-zusammen-sein-Wollens hinterher. Eindrücke teilen, lachen, reden, schweigen. Birgit und ich haben in den vergangenen drei Tagen so viel miteinander unternommen, es hat sich einfach so ergeben. Meist treffen wir uns zum ersten Morgenkaffee auf der Terrasse und haben plötzlich Pläne für den gemeinsamen Tag. Um dann am Abend festzustellen, dass wir bei Wein und Abendessen immer noch oder schon wieder zusammensitzen.

 

Plötzlich jedoch herrscht Stille, als hätte jemand die Nadel vom Plattenspieler genommen. Fast bin ich froh über die Geräusche von der benachbarten Baustelle. Ich bin nicht allein, wenn man Hämmern, Rufe und Bohren als Zeichen des weniger Alleinseins betrachten will. Ich ahne, dass mein Gefühl der Einsamkeit gar nicht so lange anhalten wird. Doch erst einmal ist es da, und ich spüre den Druck auf meiner Brust, als würde es mir für einen Moment die Luft zum Atmen nehmen.

 

Brit Gloss Auszeit in Portugal mit 50plus

 

„Ich will mich nicht an jemanden hängen, um mich weniger allein zu fühlen.“ Ein Satz, den ich in Deutschland gern von mir gegeben habe, wenn es um meine Reisepläne in Portugal ging. Jetzt jedoch frage ich mich: Will ich wirklich nicht? Mein Verstand versucht es auf die charmante Tour: Es wäre so bequem, gemeinsam zu reisen. Ihr versteht euch doch so gut. Ihr könntet Geld sparen, wenn ihr euch gemeinsam ein Apartment bucht. Ja, ja und nochmals ja.

 

Andererseits macht genau das auch den Unterschied, den ich in den letzten Tagen bemerkt habe: Wenn ich zusammen mit Birgit unterwegs bin, lernen wir nicht wirklich andere Menschen kennen. Sie haben einfach keinen Platz in unseren angeregten Gesprächen. Wir nehmen sie ohne böse Absicht oft nicht einmal wahr.

 

Nicht ohne Grund will ich diese Reise allein machen. Ich will offen sein für dieses Land und seine Menschen. Ihnen begegnen, in Kontakt kommen, gerne auch über die erste Oberflächlichkeit hinaus. Um dann trotzdem weiterzuziehen. Vielleicht bleibe ich eines Tages irgendwo hängen. Aber ich weiß, wenn das passiert, ist es mein Herz, das spricht. Und dann gibt nicht die Angst vor dem Alleinsein den Ton an, sondern einzig und allein die Liebe zum Bleibenwollen.

 

 

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