Kapitel 43: Betrunken im Auszeit-Paradies

 

Der leicht rauchige Portwein rinnt samtig an meinem Gaumen entlang. Was für ein intensiver und gleichzeitig sanfter Tropfender den Körper von innen zu küssen scheint. Ich kann förmlich spüren, wie er in meinem Magen ankommt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich, außer zweieinhalb Gläsern Portwein, heute noch nichts zu mir genommen habe.

 

Es ist noch nicht einmal Mittag, ich hatte kein Frühstück, trotzdem probiere ich mich mit Antonio durch die verschiedenen langhalsigen Flaschen seines selbst produzierten Weines. In meinem Kopf dreht es sich bereits verdächtig. Es wäre Zeit aufzuhören. Doch Antonio hat soeben aus der hinteren Ecke seiner kleinen Kelterei zwei Flaschen Obstbrand hervorgezaubert, ebenfalls selbst gemacht. Ich kann schon an seinem strahlenden Blick erkennen, dass es eine Schande wäre, diese nicht zu verkosten.

 

Portugal Likör trinken
Wer will da schon nein sagen?

 

Also nehme ich auch das nächste Glas entgegen und nippe vorsichtig daran. Lecker. Keine Ahnung, wie Antonio das macht, aber alles, was ich bislang probieren durfte, ist eine geschmackliche Glanzleistung. Auch wenn ich mit steigendem Alkoholpegel nicht mehr ganz seinen Ausführungen zu den Geistern in der Flasche folgen kann. Wie bin ich noch mal hierhergekommen?

 

 

Eigentlich beginnt alles harmlos mit einem Vorschlag: Antonio, der Vermieter meines derzeitigen Apartments in Ferragudo und Besitzer eines kleinen Restaurants, hatte mir am Abend zuvor angeboten, mich am nächsten Tag nach Monchique mitzunehmen, einem kleinen Ort mitten in der Sierra de Monchique. Er würde dort ohnehin einen Termin im „Parque da Mina“ wahrnehmen, in dem in acht Wochen eine Hochzeit stattfinden soll, mit ihm als Caterer.

 

Die Sierra de Monchique ist eine traumhafte Gegend im Hinterland der Algarve, durch deren üppige Vegetation sich zahlreiche kleine Bäche schlängeln. Ohne Auto ist sie allerdings schwer zu erreichen. Das Angebot kommt mir deshalb wie gerufen, freudig stimme ich zu. Ich bin erst wenige Stunden in Ferragudo und Antonios Herzlichkeit rührt mich.

„Ich hole dich morgen früh ab“, meint Antonio, und ich vergesse nachzufragen, wann denn „morgen früh“ ist, weil ich mir sicher bin, vor elf würde sich vermutlich eh kein Rad drehen. So kann man sich täuschen. Am nächsten Morgen klopft es kurz nach neun an meiner Tür. Ich bin immerhin schon geduscht, mehr allerdings nicht. Antonio steht lachend draußen und meint, in zehn Minuten starten wir. Soviel zur portugiesischen Gemütlichkeit. Also schnappe ich mir ein Kleid, Sandalen, Sonnenbrille und Tasche und stehe wenig später ohne Frühstück, aber immerhin pünktlich im Hof.

 

Portugal Ferragudo Auszeit in Portugal mit 50plus
Ferragudo, ein zauberhaftes Fischerdorf an der Algarve

 

Antonio ist ein guter Fahrer, trotzdem verursachen mir die zahlreichen Kurven durch die hügelige Landschaft ein munteres Gurgeln im Magen. Ich hätte vermutlich doch eine Kleinigkeit essen sollen. Nun gut, in ein, maximal zwei Stunden würden wir zurück sein. Beim Gedanken an die beiden Croissants in meinem Zimmer läuft mir jetzt schon das Wasser im Munde zusammen.

 

 

Die Parkanlage „Parque da Mina“, die wir wenig später erreichen, ist ein grünes Paradies mit zahlreichen Pflanzen und ein paar Tieren. Die Besitzerin begrüßt uns herzlich, dann beginnen Antonio und sie sich über die Details der Hochzeit und des Caterings zu verständigen. Ich lausche fasziniert den Worten, verstehe nur ab und zu, worum es gerade geht. Wir durchqueren einmal die ganze Anlage, ein schöner Ort zum Feiern, soviel steht fest. Eine Stunde später sitzen wir wieder im Auto. Zeit für Croissants, Tee und einen ersten Kaffee des Tages.

 

 

Auf dem Rückweg meint Antonio jedoch leichthin, er würde einen klitzekleinen Umweg zu seinem Grundstück machen, um die Hunde zu füttern und mir etwas Obst mitzugeben. Stolz erzählt er mir, was alles in seinem Garten wächst. Nun gut, hat mein Frühstück so lange auf sich warten lassen, kommt es jetzt auf eine halbe Stunde mehr auch nicht mehr an. Eine halbe Stunde später habe ich tatsächlich etwas im Magen, wenn auch anderes als gedacht. Binnen nicht einmal einer Stunde lässt mein Körper die Null-Promille-Grenze locker hinter sich. Auf Portwein folgt Portwein folgt Obstbrand und noch ein Obstbrand. Als wir nach dem spontanen Umtrunk im Untergeschoss wieder in die helle Mittagssonne hinaustreten, realisiere ich es erst so richtig: Ich habe einen ordentlichen Schwips. Großzügig betrachtet. Nüchtern gesehen, bin ich vermutlich sternhagelvoll. Na und? Wen kümmert es?

 

Antonio ist ein überaus zuvorkommender Gastgeber, der Ausflug wunderschön. Und nach den gefüllten Gläsern gibt es vor der Weiterfahrt noch reichlich gefüllte Tüten mit frischem Obst: Orangen, Avocados und Nêsperas, eine süß-säuerliche Obstsorte, die auf den ersten Blick unseren Aprikosen ähnelt, und deren Geschmack ich schon in Tavira lieben gelernt habe.

 

Portugal Ferragudo frischer Fisch, gute portugiesische Küche

 

Als wir zurück sind, meint Antonio augenzwinkernd: „Und jetzt tun wir was gegen deinen Hunger. Komm mit in die Küche.“ Ich folge ihm, und binnen zwanzig Minuten zaubert er uns in seiner Restaurantküche, die um diese Zeit verlassen liegt, ein Mittagessen vom Feinsten: frischen Fisch vom Grill mit Batatas, den kleinen, schmackhaften Kartoffeln samt knackigem Gemüse. Bevor wir uns mit unseren Tellern auf der Terrasse niederlassen, entkorkt Antonio eine Flasche Rotwein, ohne Frage auch aus eigener Produktion. Heute scheint für mich nichts außer Genuss auf der Tagesordnung zu stehen. Ich lasse es geschehen und genieße. Warum auch nicht, wenn sich das Leben gerade so an mich verschenkt? Den Rest des Tages verbringe ich liegend, lesend und den Rausch ausschlafend auf der Liege im Garten.

 

 

Portugal Rotwein selbst gemacht
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