KAPITEL 2: Sehnsucht nach einem Sternbild

Ich bekomme das Grinsen einfach nicht aus dem Gesicht. Als hätte jemand in meinem Inneren ein Licht angeknipst. Meine Knie sind weich, unter meiner Haut kribbelt es.

 

Liegt es am Wein? Oder an dem Thema, das seit gut einer halben Stunde durch unser Gespräch geistert?  

Erst ist es nur ein Gedanke, ein laut ausgesprochener Satz, dann jedoch nimmt das Ganze mehr und mehr Fahrt auf. Mitten hinein in diesen wunderbaren Sommerabend, den wir essend, trinkend, redend, rauchend auf dem Balkon verbringen. 

 

Sonnenuntergang, Wein trinken
© qimono

 

Die Dämmerung ist dabei, sich langsam der Nacht zu ergeben. Ich lege meine nackten Füße auf die Balkonbrüstung, ein warmer Lufthauch streichelt sie. Noch glüht die Hitze des Tages auf meiner Haut. Mein Gegenüber lächelt jetzt ebenfalls, mit einem Augenzwinkern in meine Richtung. Als wäre alles schon gesagt und klar sowieso. Weiß es mehr als ich? Oder lässt sich in meinem Gesicht lesen, wie in einem offenen Buch?

 

Ich schließe für einen Moment die Augen, nehme einen Schluck vom Rosé, lasse den kühlen Wein und meine Idee auf der Zunge zergehen: Sich-Aufmachen… ins Ausland…hinaus in die Welt, weit weg vom Bekannten und Vertrauten. Über Grenzen gehen, nicht nur in Gedanken, sondern auch im echten Leben. Land und Leute zurücklassen, um neues Land und neue Leute kennenzulernen. Auf mich allein gestellt sein, während alles um mich herum fremd ist. Schauen, wohin mich das führt. Neugierig und offen sein, in einer wunderbaren Mischung aus kribbliger Vorfreude und beruhigendem Vertrauen.

 

 

Brit Gloss, Dresden, Strandbar
Freude als Kompass - innen wie außen

 

Der Impuls ist nicht neu. Er war vor einiger Zeit schon einmal in meinem Kopf. Aber jetzt spüre ich: Er will nicht gehen. Dieses Mal nicht. Er biedert sich nicht an. Ist einfach nur da. Scheint mir leise zuzuflüstern: „Hier bin ich, mach was aus mir. Oder lass es. Die Entscheidung liegt ganz bei dir.“ Vielleicht gefällt er mir deshalb so gut. Er macht mir keinen Druck. Er erzählt mir nicht, dass ich das unbedingt mal gemacht haben sollte. Ich mag nämlich keine Listen, die dir einreden wollen, dass dein Leben nur dann wertvoll war, wenn alle ihre Punkte abgehakt sind.

  

Lass Freude dein Kompass sein, freudvolles Seelengeflüster, Brit Gloss

 

„Let joy be your compass“ heißt der Kalenderspruch in diesem Monat auf meinem Schreibtisch. Freude als Wegweiser. Glaube noch einer an Zufälle. In mir brodelt gerade dermaßen viel Freude, während ich darüber nachdenke: Direkt morgen könnte ich los. Spätestens. Es scheint für mich keine Rolle zu spielen, wohin genau diese Reise gehen wird. Vielmehr beginnt sie bereits damit, mir überhaupt zu erlauben, sie für möglich zu halten, frei und unbeschwert über sie nachzudenken. Mit dem Kompass im Herzen. Eine Reise mit mir – und bestenfalls auch zu mir. Ohne Garantie auf irgendetwas.

 

 

Abendstimmung, Sommerabend, Wein
© MoreToTheShell

 

Noch immer sitzen wir auf dem Balkon. Stille hat sich über den nachtdunklen Kiez gelegt. Ich schaue in den Himmel über mir, Sterne funkeln. Mittendrin der vertraute „Große Wagen“, das einzige Sternbild, das ich dank meines Vaters seit Kindertagen mühelos erkenne. Es würde mir doch folgen, wenn ich mich aufmache, oder? Wenn ich irgendwo in der Fremde in die Sterne schaue. Auf der Suche nach Heimat oder einem vertrauten Gefühl. Ich will mir nicht vorstellen, ihn zurücklassen zu müssen. Sehnsucht nach einem Sternbild. Dabei gäbe es deutlich mehr loszulassen als diesen liebgewonnenen Wagen. In meinem Bauch mischen sich fruchtiger Rosé, neugierige Sehnsucht und banges Vermissen, als hätte das Abenteuer schon begonnen.

 

Dabei weiß ich noch nichts! Und trotzdem hat sich diese Idee unbeirrt wie selbstverständlich bei mir eingerichtet. 

Katze neugierig am Fenster
Auch schon neugierig, wie es weitergeht? © pixaline

Auszug aus dem dritten Kapitel

 

Wenn ich geglaubt habe, die Idee würde sich über Nacht auflösen, werde ich am nächsten Morgen eines Besseren belehrt. Sie sitzt mit unverminderter Klarheit in meinem Kopf. Und nicht nur das: Sie lässt auch keinen Raum für andere Gedanken, weder an den ersten Kaffee noch an die Pläne des Tages. Es ist kein Vorbeikommen an ihr. Soviel zum Thema Hartnäckigkeit.

 

Ich versuche mich zu erinnern, was gestern um diese Zeit noch für mich von Bedeutung war. Worum drehte sich meine kleine Welt, die mir doch groß genug schien? Es fällt mir nicht mehr ein. 

 

...

 

Der Freude folgend gibt's HEUTE gleich noch das ganze Kapitel ;-) - im Link siehe unten!

 

 

 

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